Sonntag, 9. April 2017

Kleine Ökonomie des Sammelns


Ich habe letzthin einen interessanten Artikel zu unserm Hobby oder zumindest einem Teil davon gefunden: Dem Sammeln.

Es geht in diesem Artikel aus der Neuen Zürcher Zeitung nicht um Tabletops, aber viele Passagen darin passen sehr gut auch auf mich und wohl auch viele andere Hobbyisten. Dem Teil mit der Wertanlage konnte ich mit einem Schmunzeln zustimmen. Dank Games Workshop sind die Preise der Citadel-Miniaturen ziemlich schön gestiegen.  

Viel Spass beim Lesen.

 

Kleine Ökonomie des Sammelns


 Wem es im Leben langweilig ist, der lege sich eine Sammelleidenschaft zu. Plötzlich gibt es in zahllosen Ecken etwas zu entdecken. Eine Sammlung zu mehren, schenkt innere Freude und schafft sozialen Kontakt. Natürlich kann man sich auch aus finanziellen Gründen aufs Sammeln verlegen, doch ist das ein eher riskantes Geschäft. Gastkommentar von Bruno S. Frey

Es ist erstaunlich, was Leute alles sammeln. Eine kleine Umfrage in meinem Bekanntenkreis zeigt die grosse Vielfalt der Sammelobjekte: Bücher, alte Autos, Malt-Whisky-Flaschen, Münzen, Bierdeckel und Puppen – ich selber sammle Figuren des heiligen Georg. Im Zentrum des Sammelns stehen Kunstgegenstände, insbesondere Gemälde, und Antiquitäten.

Warum eigentlich wird gesammelt? Am wichtigsten ist ohne Zweifel die Leidenschaft. Oft weiss man nicht einmal, warum man etwas sammelt, sondern es wird einfach getan, weil es Freude bereitet, also aufgrund einer intrinsischen Motivation. Ein zweiter Grund fürs Sammeln liegt in der Möglichkeit, sich dabei selbst zu verwirklichen, etwas autonom zu gestalten. Jeder kann irgendwelche Gegenstände sammeln, dazu ist weder viel Geld noch eine höhere Bildung notwendig. Gesammelt wird auch, weil dadurch künstlerische Tätigkeit unterstützt wird. Ein weiterer Grund liegt im Status, der mit der Sammlung bestimmter Gegenstände – etwa von Gemälden oder Erstausgaben berühmter Bücher – verbunden ist. Damit kann ein guter Geschmack nach aussen demonstriert werden.

Unbestreitbare Freude
Es gibt jedoch auch finanzielle Gründe, zum Sammler zu werden. Sammlungen eignen sich zur Geldwäsche und zur Steuerersparnis. Die Gegenstände in einer Sammlung werden steuerlich eher gering bewertet oder entgehen einer Besteuerung ganz. In letzter Zeit werden immer stärker Sammlungen von wertvollen Kunstgegenständen und Antiquitäten wie Möbeln oder Autos als Ergänzung zu Finanzaktiva in Aktien und Obligationen empfohlen, weil die Schwankungen im Wert dieser Anlagemöglichkeiten vergleichsweise wenig miteinander korreliert sind.

Sammeln macht glücklich. Wer sich leidenschaftlich dem Aufbau einer Sammlung widmet, erfährt eine Freude, die ihm niemand streitig machen kann. Ein Büchersammler strahlt vor Glück, wenn er eine Erstausgabe eines Werkes von Montaigne vorzeigen kann. Damit ist ein in der psychologischen Ökonomie gut nachgewiesener Befund verbunden. Gemäss dem «Besitzeffekt» ist jemand nicht mehr bereit, sich zum Kaufpreis von einem Gegenstand zu trennen. Es muss ein wesentlich höherer Preis dafür geboten werden. Das Gefühl, ein Sammlerstück zu besitzen, führt zu einer individuellen Verbindung; man nimmt an dessen Aura teil. Der Besitzer einer Erstausgabe von Montaigne fühlt sich dem Autor nahe, auch wenn der Inhalt des Buches wesentlich einfacher anderswo – sogar im Internet – zu lesen wäre.

Sozialer Kosmos
Wer sammelt, geht auch vermehrt soziale Kontakte ein, denn zu jedem auch noch so kuriosen Sammelgebiet gibt es einen entsprechenden Verein. Vermehrte zwischenmenschliche Beziehungen erhöhen die subjektive Lebenszufriedenheit. Eine Sammlung aufzubauen, ist auch deshalb glücksfördernd, weil es ja um einen Aktivtausch geht: Geld wird gegen einen Sammelgegenstand ausgetauscht. Es wird kein Geld sinnlos verschwendet; den Erben wird nichts weggenommen, und deshalb können Sammler ein gutes Gewissen haben. Nur selten führt eine übertriebene und unkontrollierte Sammelleidenschaft zu Unglück.

Sammeln ist allerdings mit einigen Problemen verbunden. Am wichtigsten ist der Raummangel. Die meisten Sammler würden gerne immer mehr Gegenstände erwerben, aber sie haben einfach keinen Platz mehr, diese aufzubewahren, und erst recht keinen, sie auszustellen. Eine Sammlung kann auch mutwillig oder aus mangelnder Achtsamkeit zerstört werden, einem Brand zum Opfer fallen oder gestohlen werden. Deshalb sind spezielle Versicherungen angezeigt, die aber ins Geld gehen.

Wichtig ist auch, was mit den Gegenständen geschieht, wenn der Sammler oder die Sammlerin diese nicht mehr pflegen kann oder stirbt. Im besten Fall übernimmt ein Museum die Sammlung, wie etwa im Falle von Beyeler in Basel oder Oskar Reinhardt in Winterthur. Allerdings ist dieser Fall äusserst rar. Die meisten Museen wollen keine Privatsammlungen übernehmen, weil sie dadurch räumlich oder finanziell überfordert würden und nicht auf die Bedingungen der Sammler eingehen möchten. Erfreulich ist auch, wenn die Nachkommen eine Sammlung weiterführen. Aber auch dies ist selten der Fall, weil spätere Generationen oft prinzipiell kein Interesse an zuweilen seltsamen Sammlungen haben oder einen anderen Geschmack pflegen. In den meisten Fällen wird dann die Sammlung auseinandergerissen und damit genau das zerstört, was der Sammelnde mit Leidenschaft aufgebaut hat. An solche Sammlungen erinnert sich später niemand mehr; sie sind aus dem kollektiven Gedächtnis getilgt.

Sammler haben manchmal die Vorstellung, ihre Sammlung sei viel wert. Diese Sicht ist allerdings stark verzerrt. Wir hören und lesen zwar häufig von enorm hohen Preisen bei Versteigerungen einzelner Sammlungsobjekte, etwa von den mehr als 100 Millionen Dollar, die für Picassos «Les Femmes d'Alger» erzielt wurden. Die Preisexplosion war vor 1990 kaum sichtbar, kam aber ins allgemeine Bewusstsein, als in jenem Jahr 78 Millionen Dollar für Renoirs «Tanz im Moulin de la Galette» und 82 Millionen Dollar für van Goghs «Porträt des Dr. Gachet» bezahlt wurden.

Dabei wird leicht übersehen, dass die vielen tiefen Preise für Sammelobjekte nicht zur Kenntnis genommen werden, Objekte mit geringer Preiserwartung von Händlern und Auktionshäusern gar nicht angenommen werden und dass ein erheblicher Teil der bei Auktionen angebotenen Objekte unverkauft zurückgeht. Aufgrund dieser Aspekte begünstigen die vielen Kunstpreis-Indizes eine falsche Vorstellung.

Lohn der Leidenschaft
In Kunst aus finanziellen Gründen zu investieren, ist mit erheblichen Kosten verbunden. Bei Auktionen fallen Provisionen im Umfang von 10 bis 30 Prozent des Kauf- und auch des Verkaufspreises an. Diese Belastung kann allerdings je nach Gegenstand, Auktionshaus, Land oder Periode unterschiedlich sein. Zusätzlich ist an die Versicherungsgebühren und die möglichen Steuern zu denken.

Fast alle Untersuchungen kommen zum Ergebnis, die Rendite in Finanzaktiva sei höher als diejenige in Kunst. William Baumol hat die Rendite aus Investitionen in Gemälde für eine grosse Zahl von Transaktionen bei Auktionen zwischen 1652 und 1961 berechnet. Für Kunst ergab sich eine reale Rendite von 0,55 Prozent pro Jahr, wesentlich weniger, als wenn das Geld in britischen Staatspapieren angelegt worden wäre, wo über diesen Zeitraum eine Rendite von 5,5 Prozent pro Jahr hätte erzielt werden können. Zusammen mit Werner Pommerehne habe ich die Periode auf 352 Jahre (1635 bis 1987) erweitert und die Transaktionskosten berücksichtigt.

Die Rendite von 1,5 Prozent für Kunst war wiederum wesentlich kleiner als diejenige für Staatsobligationen mit 2,4 Prozent. Untersuchungen auch für spätere Jahre führen zu ähnlichen Ergebnissen. So errechnen zum Beispiel Renneborg und Spaenjers für Gemälde und die Periode 1957 bis 2007 eine reale Rendite von knapp 4 Prozent pro Jahr, was geringer als die Aktienrendite (6,6 Prozent), aber höher als die Obligationenrendite (2,7 Prozent) und Gold (2,3 Prozent) ist. Allerdings haben Kunstobjekte aufgrund von Preisschwankungen ein massiv höheres Risiko. So brachten zum Beispiel Gemälde im Jahre 1991 einen Verlust von nicht weniger als 32 Prozent, im Jahre 2007 aber einen Gewinn von 22 Prozent.

Der oft gehörte Rat, man solle nur in «hervorragende» Kunst investieren, ist wenig hilfreich. Was als Spitzenkunst angesehen wird, kann wie weniger anerkannte Kunstwerke auch stark an Wert verlieren. Ausserdem lässt sich kaum voraussagen, was in der Zukunft als «hervorragend» angesehen werden wird; auch auf diesem Gebiet gibt es Modewellen. Dies haben zum Beispiel Sammler von Mettlacher Bierkrügen mit einer realen Rendite von –1,1 Prozent pro Jahr (1983 bis 1993) oder von alten Waffen mit einer realen Rendite von –2,3 Prozent pro Jahr (1978 bis 1984) erlebt.

Selbstverständlich gibt es immer Ausnahmen, genauso wie auch auf dem Aktienmarkt. Wer früh investiert und viel Glück hat, kann von einer Periode mit rasch steigenden Preisen profitieren – was Sammler dann gerne als Beweis für ihren ausgeprägten Kunstsinn interpretieren. Investitionen in Kunst können auch als Ergänzung zu Finanzanlagen sinnvoll sein.

Letztlich gibt es nur etwas Sicheres beim Sammeln: Es muss mit Leidenschaft geschehen. Die dadurch erreichte Befriedigung kann einem niemand wegnehmen, und sie ist unabhängig von den nicht vorhersagbaren Preisschwankungen. Gerade in der durch allzu viele Vorschriften und Regulierungen geprägten heutigen Zeit gibt Sammeln eine erfreuliche Möglichkeit, selbständig zu handeln und sich zu verwirklichen. Dieser Glücksfaktor sollte gepflegt werden.

Bruno S. Frey ist Ökonom. Er lehrt als Gastprofessor an der Universität Basel, wo er an der Leitung eines Instituts für Glücksforschung beteiligt ist. Zuletzt erschien 2017 bei Oxford University Press der Band: «Honours versus Money: The Economics of Awards» (mit Jana Gallus).

Aus dem NZZ-E-Paper vom 20.03.2017

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